Einsamkeit durch Corona

Wir sind alle müde

Eine Kolumne von Sibylle Berg

Jahresende, und alles ist noch schlechter geworden. Was also tun? Sich ablenken und daran denken, dass es der Mehrheit gerade genauso geht. So unsicher und ohnmächtig, so ratlos und traurig.

Erschöpfte Menschen

Die Märkte regeln das

Eine Kolumne von Sibylle Berg

Sie haben Sport getrieben, gelernt, sich gut ernährt und weitergebildet - aber jetzt sind viele Menschen müde. Wegen Corona. Aber vor allem wegen eines Arbeitsmarkts, der sie ausbeutet.

24.10.2020, 15.29 Uhr


Am 16. Oktober warnt die WHO davor, dass viele Menschen die Corona-Einschränkungen leid sind. Klingt komisch, dafür kann ich aber nichts, die Leute von der WHO wissen sicher, was sie sagen. Und natürlich haben sie recht, denn dass die Menschen ein wenig müde sind, kann man schon länger beobachten.


Sie haben so viel Anstrengung darauf verwendet, auf dem Arbeitsmarkt gut anzukommen, sie sind erschöpft. Sie haben Sport getrieben, gelernt, sich gut ernährt und weitergebildet, sie haben versucht, zu Maschinen zu werden und werden doch von Maschinen ersetzt. Oder sagen wir: freigestellt, um sich neuen interessanten Aufgaben zu widmen.


Nun aber genug Pessimismus, die gute Nachricht ist: Hurra, die Schiffe legen ab, und die Menschen können endlich wieder ihr Recht auf Bootfahren ausleben.

Okay, an Land gehen ist in einigen Städten und Ländern nicht drin, aber was soll man auch an Land, wenn man auf so einem prächtigen Schiff seinen Anteil zum Untergang der Welt beitragen kann.Apropos - nichts ist abstoßender als Belehrungen. Macht doch, was ihr wollt. Fahrt auf Quarantäneschiffen, die vielleicht nirgendwo mehr anlegen dürfen, wozu auch anlegen. Vielleicht ist es eine hervorragende Idee, einen Freistaat auf dem Meer zu gründen. Hatte nicht der Unternehmer/ Philosoph (Entschuldigung, Philosoph! Der ist zu gut) Peter Thiel solche Ideen unterstützt?


Die ungefähre Fantasie: ein Staat, in dem alles privatisiert ist, es keine Steuern gibt, keine Verlierer, für die er zahlen muss. Wobei, nur mal theoretisch gefragt: Wenn der Staat der Unternehmer ist - wer rettet dann Unternehmen in einer der kommenden Finanzkrisen oder Pandemien?

Die Märkte regeln das Leben der Oligarchen ja bisher immer ganz gut im ewigen Kreislauf: Produktionsmittel besitzen (am besten erben), Steuern vermeiden, (wir sagen minimieren, wir meinen: Firmen an steuerfreundliche Orte auslagern, satt zu investieren), Aktien und Immobilien horten und im Pleitefall: sich vom Staat - also den Menschen - retten lassen, danach genau diese Menschen entlassen.



Warum Regierungen dieses alte Spiel immer wieder mitmachen, bleibt ihr Geheimnis. Ist es der Job in der Wirtschaft, der nach Beendigung der politischen Laufbahn winkt? Ist es die Stimme der Wählenden, die zu blöd sind, um zu begreifen, dass die alte Geschichte von den Arbeitsplätzen, die gerettet werden sollen, schon lange nicht mehr stimmt?

Sind es die Lobbyisten oder die Freundschaft zum Unternehmer, die auf dem Golfplatz echt eng geworden ist? Wir werden es nie erfahren. Der Kreis staatlich subventionierten Kreuzfahrtschiffe schließt sich hier übrigens sehr elegant, finde ich.

Nun ist es, da die Bürgerinnen die durch Ihre Steuerzahlungen fast Anteilseignerinnen geworden sind, auch ihr gutes Recht, ein wenig auf den Bötchen herumzucruisen. Die Märkte regeln den Rest. Sie regeln alles. Ein Hoch den Märkten.